Sechs Dinge taten die Bewohner Jerichos. Gegen die Vorschrift.
Sie befruchteten Palmen. דקל ist der arab. دقل) und aram. (דקלא ܕܶܩܠܳܐ) Name der Palme, hebr. תמר. Um eine reichere Dattelernte zu erzielen, wendet man die künstliche Befruchtung an, indem man Stücke des männlichen Blütenkolbens, wenn der Blütenstaub zur Reife gekommen, in die geöffnete Scheide der weiblichen Blüthe zwängt.
den ganzen Tag. Des vierzehnten Nisan, wenn derselbe, was wohl unter normalen Verhältnissen meist der Fall war, mit dem für diese Arbeit angezeigten Datum zusammenfiel, dessen Verabsäumung für die »Palmenstadt« ebenso beträchtlichen wie unwiederbringlichen Schaden im Gefolge hätte.
sie verschlangen das Schma. So bezeichnet man den mit diesem Worte beginnenden Abschnitt 5. B. M. 6, 4– 9 und im weitern Sinne auch noch die Abschnitte 5. B. M. 11, 13—21 und 4. B. M. 15, 37—41. Dieselben müssen täglich zweimal — morgens und abends — bedächtig und achtsam gelesen werden. In den Synagogen wurden sie in kurze Sätzchen zerlegt, in deren Vortrag sich Vorbeter und Gemeinde alternierend teilten. Entweder fiel diese jedesmal, wenn jener seinen Satz beendet hatte, sofort mit dem nächsten Satze ein, oder sie wiederholte zunächst die von jenem vorgesprochene Vershälfte, um dann gemeinsam mit ihm den zweiten Halbvers zu rezitieren (Tosefta Sota VI, Jeru. das. V 5, Babli das. 30 b, Mechilta, Jalkut u. Tanchuma zu Ex. 15,1). In Jericho nun wurde nicht abgesetzt (לא היו מפסיקין), sondern das Ganze ähnlich wie bei uns in einem Zuge heruntergesagt. An sich wäre das noch nicht so arg; es wurden aber infolge dessen die einzelnen Satzteile nicht scharf genug gegen einander abgegrenzt, ja sie haspelten das Schma‘ mit solcher Überstürzung ab, dass sie z. B. ganz sinnwidrig היום על לבבך sagten, obgleich היום zu מצוך gehört und nicht zu על לבבך. Es liegt in der Wahl des Ausdrucks zugleich eine scherzhafte Anspielung auf das Unwürdige eines solchen Vortrags. כרך bedeutet nämlich nicht nur winden, umwickeln, zusammenbinden, sondern auch essen, speisen, eine Mahlzeit halten, tafeln. Es ist in diesem Sinne die Abkürzung von כרך רפתא Brot umwickeln, einer Redensart, welche freilich ihrerseits wieder der Erklärung bedarf. Levy (chald. Wrtrb. ü d. Targumim I 386 b) glaubt diesen Sprachgebrauch dadurch entstanden, »dass man, um eine Mahlzeit ohne Händewaschen abhalten zu dürfen, sich die Hände mit einer Serviette umwickelte, und dass man der Halacha, dass dieses gestattet sei, durch diesen Sprachgebrauch Nachdruck verschaffen wollte«. Eine merkwürdige Begründung das! Als ob jemals die Gelehrten den Sprachgebrauch gemacht hätten! Und davon abgesehen, wie ist das alles so gezwungen und gewunden, so gesucht und weithergeholt, da doch das Richtige so nahe liegt! Man braucht nur an das bekannte היה כורך (פסח) מצה ומרור ואוכל ביחד zu denken, und man errät sofort, worin sich כרך רפתא von אכל רפתא unterscheidet. Dieses bedeutet Brot essen, jenes aber Brot mit anderen Speisen verbinden, es zusammen mit seinen Beilagen geniessen. Dieselben bestanden in Fleisch, Gemüse und Mehlspeisen, vorzugsweise in Rüben, deren Name לפת (syr. ܠܰܦܬܳܐ lafta u. lefta, arab. نغت lift) zugleich eine allgemeine Bezeichnung für Zukost wurde; man bildete sogar ein Verb לפת und verstand unter לפת את הפת (eig. das Brod mit Rüben belegen) Brod nebst Zukost essen. Daher sagt (Ber. 44b) Raba zu seinem Diener: Wenn du Rüben auf dem Markt siehst, frage mich erst gar nicht: במאי כרכת רפתא, was willst du heute speisen. Diese Stelle gibt den erwünschten Aufschluss über die Entstehung des seltsamen Sprachgebrauchs; hier ist es klar, dass כרך רפתא ähnlich wie לפת את הפת eigentlich das Brot belegen heisst. Und da man dafür auch schlechthin כרך sagte, so denkt man bei כורכין את שמע (Gegensatz פורסין; Meg. IV 5-6) nicht allein an ein Verknoten des Schma‘, sondern unwillkürlich auch an ein Verschlucken desselben. Wir suchten diesen Doppelsinn durch das Wort verschlingen in unserer Übersetzung wiederzugeben. Merkwürdig ist, dass auch das hebr. בלע diesen Doppelsinn hat, nur dass er hier ebenso wie im Deutschen auf zwei verschiedene Wurzeln zurückzuführen ist. Schlingen = schlucken ist ahd. slintan, mhd. slinden (davon noch heute Schlund) und בלע in derselben Bedeutung von der Wurzel לע (davon לוע Schlund); in der Bedeutung verwirren dagegen ist בלע (vgl. Jes. 28, 7 u. Ps. 55, 10) mit בלל von derselben Wurzel בל und schlingen ahd. wie mhd. slingen.
sie mähten und schichteten. גודשין, Denom. von גדיש, Garben übereinander schichten.
vor dem ‘Omer. Am 16. Nisan wurde ein ‘Omer (drei Zehntel eines סאה, ungefähr 2,5 Liter; ‘Erubin VII Anm. 49) der neuen Gerste als Opfer dargebracht. Derselbe wird 3. B. M. 23, 10 ראשית קציר, der Beginn der Ernte genannt; vorher durfte daher in Gegenden, deren Gerste sich zum Erstlingsopfer eignete, nicht gemäht werden. Jericho gehört nun allerdings zu diesen Orten nicht; dennoch hätten sie vor dem ‘Omer die Garben wenigstens nicht schichten sollen, denn es konnte das ohne Schaden auch später geschehen.
Sie er klärten ägyptische Feigen des Heiligtums für erlaubt. של חרוב ושל שקמה fügt eine im Babli angeführte Baraita hinzu. In der Tosefta fehlt aber dieser Zusatz. Die Worte sind also vermutlich eine Glosse zu dem unbekannten גמזיות. Im Arab. ist Dschummaiz جميز der ägyptische Feigenbaum (hebr. שקמה, ficus sycomorus), Charûb (neuhbr. חרוב) der Karobenbaum, dessen Früchte ebenfalls unter dem Namen »ägyptische Feigen« auf den griechischen Markt kamen. In Jericho fielen diese Bäume, deren Holz sehr kostbar, deren Frucht dagegen kaum geniessbar ist, sehr häufig ruchlosen Händen zum Opfer, welche die wertvollen Stämme fällten und widerrechtlich sich aneigneten. Um diesem Vandalismus zu steuern, schenkten sie ihre Besitzer dem Heiligtume, als dessen Eigentum sie unantastbar waren. Das hinderte jedoch deren Nachkommen nicht, die Früchte (s. Jeruschalmi) als ihr Eigentum zu betrachten; sie behaupteten, ihre Väter hätten ausschliesslich die Stämme dem Heiligtum gewidmet, um sie dadurch gegen Raub und Diebstahl zu feien, nicht aber die fast wertlosen Früchte. Es ist jedoch selbst der Nachtrieb geweihter Bäume verboten.
was unter den Bäumen abgefallen lag. נשר (bibl. נשל, vgl. 5. B. M. 28,40; aram. נתר) wird vom Abfallen der Früchte gebraucht. Das Hauptw. נֵשֶׁר, welches sonst die abgefallenen Früchte oder Blätter bezeichnet, scheint hier, da es nicht מבין, sondern מתחת heisst, auf die Bäume übertragen, die ihre Früchte abwerfen. Darauf deutet auch der PI. נשרים (vgl. Sukka I 3; ‘Aruch liest jedoch auch hier נשירה). Früchte, die man am Sabbat unter einem Baume abgefallen findet, soll man am selben Tage nicht essen; denn es könnten welche darunter sein, die erst am heiligen Tage abgefallen und daher bis zu dessen Ausgang verboten sind.
sie gaben Pea von Gemüse. Pea ist die Feldecke, deren Ertrag der Grundherr nach 3. B. M. 19, 9—10 den Armen preisgeben muss. Dieselbe ist frei vom Zehent und den übrigen Abgaben. Von Gemüsefeldern braucht man die Ecke nicht stehen zu lassen. Die Grundbesitzer von Jericho aber taten es dennoch. Darin läge freilich noch kein Unrecht. Dadurch aber, dass sie es ausnahmslos taten, konnte sich leicht der Irrtum festsetzen, dass auch diese Pea gleich der pflichtmässigen von allen Abgaben befreit wäre, ein Irrtum, der dazu führen musste, dass die Armen Tebel (‘Erubin III Anm. 18) assen. Ihre menschenfreundliche Absicht konnten die Herren auf andere, minder bedenkliche Weise verwirklichen.