Man schliesse. פטר heisst ursprünglich: spalten, (vgl. فطر), daher פטר רחם = Durchbruch, יפטירו בשפה (Ps. 22, 8) = den Mund aufreissen. Aus dem Begriff der Trennung, der in dieser Grundbedeutung liegt, hat sich der des Abschieds entwickelt; daher ויפטר מפני שאול (1. Sam. 19, 10) = scheiden, weggehen; transitiv: את המחלקות … פטר (2. Chr. 23, 8) = verabschieden, entlassen; auf leblose Dinge übertragen: פוטר מים (Spr. 17, 14) = loslassen, befreien. In der talmudischen Literatur ist diese Bedeutung vorherrschend; vgl. z. B. פוטרין את הרבים (Mo‘êd ḳaṭan III 7) = verabschieden, wegschicken; ונפטרו והלכו להם (Joma I 5) = sich verabschieden, scheiden; מפטירין בנביא (Megilla IV 1) = mit einem Prophetenvortrag Abschied nehmen von der Toravorlesung. So auch hier אין מפטירין אפיקומן = man veranstalte kein Epikomon zum Abschied von dem Festmahle, d. i. als Abschluss der Pesachfeier. In der Gerichtssprache ist entlassen = freisprechen, wodurch das Wort פטר die allgemeinere Bedeutung einer Befreiung (von Pflichten und dergl.) erlangt hat. Vielleicht hängt damit auch פטיר (aram. u. arab. = Ungesäuertes, frei von Sauerteig) zusammen.
nach dem Pesach nicht mit einem Trinkgelage. Für das Wort אפיקומן geben Tosefta, Jeruschalmi und Babli drei verschiedene Erklärungen. Nach der einen bezeichnet es den Nachtisch, mag dieser nun aus Früchten (wie Datteln, Nüsse, geröstete Körner) oder aus allerhand Zuckerwerk (מיני מתיקה) oder auch aus anderen Leckerbissen wie Trüffeln und Tauben (ערדילי וגוזליא) bestehen ]; nach der zweiten versteht man darunter musikalische Darbietungen (מיני זמר), nach der dritten den Einbruch in eine andere Tischgesellschaft (שלא יעקרו מחבורה לחבורה). Die zuletzt angeführte Erklärung wird im Babli von Rab mitgeteilt, im Jeruschalmi aber an diesem Orte gar nicht erwähnt, an anderer Stelle dagegen (oben zu M. 4) anonym und unbestritten angeführt (טיפש מה הוא אומר מה זאת אף את למדו הלכות הפסח שאין מפטירין אהר הפסח אפיקומון שלא יהא עומד מחכורה זו ויכנס לחבורה אחרת ). Das Wort ist offenbar dem Griechischen (ἐπίϰωμον) entlehnt und bezeichnet in seiner Heimat alles, was zum Trinkgelage (ϰῶμος) gehört; insbesondere versteht man unter ἐπιϰωμάζειν das stürmische Eindringen der Zechgenossen in eine fremde Gesellschaft, um bei dieser das unterbrochene Gelage fortzusetzen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass Epikomon hier im weitern Sinne gemeint ist und das ganze mit dem Nachtisch beginnende, von Musik begleitete und meist in wüstem Unfug endigende Trinkgelage umfasst, so dass alle drei Erklärungen richtig sind, wenn auch die von Rab dem griechischen Sprachgebrauch am besten gerecht wird. Durch die glückliche Wahl des fremden Ausdrucks wird das Verbot am Anfang dieser und am Ende voriger Mischna in ein so helles Licht gerückt, dass es sich von selbst versteht und zu seiner Begründung keines weitern Wortes bedarf. Man verpönte den Genuss des Weines zwischen dem dritten und dem vierten Becher, weil man die Trunkenheit fürchtete, den schlimmen Rausch mit seinem hässlichen Gefolge von gemeinem Scherz und grober Ausschreitung, von rohem Übermut und zügellosem Laster. Man verpönte selbst den harmlosen Nachtisch nach dem Pesachmahle, weil im Hintergrunde schon das widerliche Zerrbild grinste, in welches oft genug das feierlichste Trinkgelage zu entarten pflegte. Es ist das Fest der Freiheit, das gefeiert wird. Freiheit ist aber nicht Ungebundenheit. Im Gegenteil! חרות על הלוחות (Abot Anh. 2): die Freiheit spriesset aus den Tafeln des Gesetzes. Wahrhaft frei ist nur wer willig sich dem göttlichen Gesetze unterordnet, auch der schwersten Forderung der Sittlichkeit sich freudig unterwirft. Unser Vater hat uns nicht aus schnödem Joch erlöst, damit wir in noch schmählichere Dienstbarkeit versinken; er hat aus Egypten uns geführt, damit wir seine Knechte werden (3. B. M. 25, 55), und nicht Sklaven unserer Leidenschaften. So erklärt sich auch die oben angeführte Jeruschalmistelle auf die einfachste Weise. Wenn das einfältige Kind, so heisst es dort, die Frage an dich richtet: was bedeutet dies? — so lehre es die Vorschriften des Pesach, dass man das Opfermahl nicht mit einem Epikomon beschliessen soll. Wieviel Scharfsinn ist nicht schon an die Erklärung dieser sonderbaren Antwort verschwendet worden [die sich übrigens auch in unserer Haggada und in der Mechilta (zu 2. B. M. 13, 14) findet, nur dass sie hier auf die Frage des verständigen Kindes erfolgt, was auch vermutlich das Richtige ist, da auf מה זאת im Pentateuch selbst die nach Jeruschalmi dem חכם zu gebende Antwort erteilt wird: בחזק יד הוציאנו ה׳ ממצרים מבית עבדים]! Eine auf den ersten Blick sehr einleuchtende Lösung, die den Knoten einfach durchhaut, um dann die Enden durch das Wörtchen עד wieder zu verknüpfen, teilt M. Friedmann in seiner Mechilta-Ausgabe mit (S. 22b Anm. 23). Durch diese Operation erhält der Satz den folgenden Sinn: Wenn dich dein Kind fragt, so lehre es alle Vorschriften des Pesach bis אין מפטירין אחר הפסח אפיקומן, d. i. bis zur letzten Halacha unseres Traktats. Allein, abgesehen von der Gewaltsamkeit des Verfahrens, ist diese Halacha keineswegs die letzte, es folgen ihr vielmehr noch drei allerletzte (ברך ברכת הפסח ,הפסח אחר חצות ,ישנו מקצתן). Ferner stimmt diese Lösung nicht zu der Darstellung im Jeruschalmi, wo die Frage nicht מה העדות והחקים והמשפטים lautet, sondern מה זאת, was sich nur auf Sinn, Zweck oder Bedeutung, niemals aber auf den Inhalt der Gesetze beziehen kann. Überdies gibt unsere Haggada in der Hauptsache dieselbe Antwort (ואף אתה אמור לו כהלכות הפסח אין מפטירין אחר הפסח אפיקומן), und hier ist die Lesart so gut bezeugt, dass an ihrer Richtigkeit füglich nicht gezweifelt werden kann. Vollends aber muss dieser Erklärungsversuch an dem Wortlaut in der Mechilta (אף אתה פתח לו בהלכות הפסח אין מפטירין אחר הפסח אפיקומן) scheitern, denn man kann den Begriff פתח (eröffnen, beginnen) unmöglich auf eine Unterweisung über den ganzen Inhalt eines Traktats anwenden; vielmehr ist פתיחה ein Kunstausdruck für das Textwort, das einen Vortrag einleitet. Wenn daher empfohlen wird, für die Behandlung der Frage nach Zweck und Ziel all der zahlreichen, von der Religion uns auferlegten Pflichten (in der Mechilta bezieht sich ebenso wie in der Haggada die Frage des Kindes laut 5. B. M. 6, 20 auf sämmtliche Gesetze der Tora und nicht bloss auf die Vorschriften über Pesach und Erstgeburt) das Verbot des Epikomon zum Ausgangspunkt zu wählen, so kann das nur den Sinn haben, dass diese Halacha homiletisch als eine passende Einleitung verwertet werde, von der schon ein helles Schlaglicht auf den eigentlichen Gegenstand der Erörterung fällt. Einen Fingerzeig zur Lösung dieser Aufgabe finden wir in dem Worte Rab’s: Die Gesetze sind nur gegeben worden, um die Menschen durch sie zu läutern und zu festigen (לא נתנו המצוות אלא לצרף בהן את הבריות — B’rêschît Rabba Absch. 44, Anf. — צרף heisst sowohl läutern als härten). Hier ist die erzieherische Bedeutung der göttlichen Gebote und Verbote mit klaren Worten ausgesprochen. Die einen sollen uns von unlautern Begierden reinigen, die andern in der Betätigung des Guten stärken, beide unsere Widerstandskraft gegen jede Art von Verführung stählen. Die Entwickelung dieses grossen Gedankens aus dem tiefern Sinne unserer Halacha ergibt sich nach dem oben Dargelegten fast von selbst. Das Epikomon ist am Pesachabend untersagt, weil es mit dem Charakter des Erlösungsfestes in Widerspruch steht, denn die grösste Feindin wahrer Freiheit ist die Zügellosigkeit. Wie schwer ist es jedoch, stets Maass zu halten im Genuss, und wie leicht, die Herrschaft zu verlieren über sich, wenn die Versuchung in berückender Gestalt uns naht, die Sünde mit verführerischer Stimme lockt. Darum hat in seinem heiligen Gesetze der Allgütige so viele Schranken aufgerichtet, so viele Übungen uns auferlegt, damit wir schon in früher Jugend lernen, unsern Willen dem Gebote Gottes unterordnen, im zarten Kindesalter uns gewöhnen zu entsagen, wo die Erfüllung nicht im Einklang wäre mit der Forderung der Sittlichkeit. Der höchste Adel, den uns Gott verliehen, ist unsere sittliche Freiheit; die höchste Herrscherwürde, die wir erlangen können, ist die Selbstbeherrschung. Zum Schutze dieser heiligsten Güter ist uns „das Gesetz“ gegeben, ein zuverlässiger Führer durch die Wirrnisse des Lebens, dass wir des Weges nicht verfehlen, der zu Gott emporführt. לפיכך הרבה להם תורה ומצוות רצה הקדוש ברוך הוא לזכות את ישראל (Makkot III 16). Im Grunde ist das die Antwort, die die Tora selbst (5. B. M. 6, 24—25) auf die Frage nach der Bedeutung ihrer Zeugnisse, Gesetze und Vorschriften gibt; לעשות את כל המצוה הזאת לפגי ה׳ אלקיגו כאשר צוגו ה׳ אלקיגו לטוב לגו כל הימים לחיותנו כיום הזה וצדקה תהיה לגו כי נשמר ויצוגו ה׳ לעשות את כל החקים האלה ליראה את. Vgl. auch meinen Vortrag „Der Sederabend“ (Berlin 1904, M. Poppelauer) S. 42—44.
so dürfen sie nicht mehr essen. Alles „Heilige“ (קדש) darf nur solange gegessen werden, als es gegen Verunreinigung gesichert ist. War es eine kurze Zeit weder in Verwahrung noch unter Aufsicht, so ist es durch die blosse Tatsache, dass es der Aufmerksamkeit entrückt war (היסח הדעת, oder היסע הרעת), unbrauchbar geworden (s. Jeruschalmi K. I g. Ende). Wenn daher nur ein Teil der Tischgenossen eingeschlummert war, so darf das Pesach noch gegessen werden, solange es von den übrigen im Auge behalten wurde; waren aber alle eingeschlummert, so ist es dadurch, dass es einen Augenblick unbewacht geblieben, untauglich geworden [ נטיתי מפירוש רשב״ם ורע״ב שכתבו הטעם מפני שנראה כאוכל פסחו בשני מקומות והוא דוחק גדול ועיין סימן הבא].
so dürfen sie nicht mehr essen. Nur wenn die ganze Gesellschaft in tiefen Schlaf gesunken war, darf sie nach dem Erwachen nicht mehr vom Opferfleische essen; war jedoch auch nur ein Einziger in wenigstens halbwachem Zustand geblieben, so hat das Pesach unter genügender Aufsicht gestanden [עיין רמב״ם וראב״ד סוף הל׳ חמץ ומצה. ורשב״ם פירש איפכא דרבי יוסי לחימוא שאפלו מקצתן שנרדמו לא יאכלו וכן פירש רע״ב ].